Die Geschichten in „Franz und Theresa – Ghupft wia gsprunga!“ von Justina Bauer pendeln zwischen Bairisch und Hochdeutsch und eröffnen Kindern die Welt des Dialekts. Die Autorin hat selbst drei Kinder, lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Penzberg und schreibt im Hauptberuf Reden für das Umweltministerium. Jetzt ist in Kooperation mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege auch das Hörbuch erschienen. Ein Gespräch über aktuelle Lebenswirklichkeiten, Traditionen, die Zukunft des Dialekts und Justina Bauers zwei Welten.
Einmal bleibt der Bauer im Zaun stecken, ein andermal jagen Franz und Theresa einem Nasenpopel hinterher… Es gibt viele lustige Begebenheiten in Ihrem Buch. Haben Sie eine Lieblingsgeschichte?
Justina Bauer: Oh, das ist eine schwierige Frage. Sagen wir es so: Es gibt in jeder Geschichte eine Lieblingsszene oder einen Aufhänger, wo ich mir dachte, ja, darüber muss man einfach mal eine Geschichte schreiben.
Sind das Sachen, die wirklich passiert sind?
Die Inhalte und Personen sind frei erfunden. Anting ist ein fiktives Dorf, das könnte überall im Alpenvorland liegen. Ich bin hier am Land aufgewachsen, habe dann in München studiert und gearbeitet und lebe jetzt mit meiner Familie wieder auf dem Land. Natürlich ist dieses Leben auf dem bayerischen Dorf in die Geschichten eingeflossen: das Umfeld, das Setting, die Stimmungen und Lebenswirklichkeiten
Es gibt also keinen Bauern in der Nähe von Penzberg, der im Zaun stecken geblieben ist?
(lacht) Im Zaun, nein. Das habe ich mir ausgedacht, weil ich von meinen Kindern weiß, dass sie es lustig finden, wenn Erwachsenen auch mal ein Missgeschick passiert. Aber natürlich liest oder hört man manchmal etwas, zum Beispiel die Geschichte von dem Bub, der wegen der langen Haare zuerst nicht im Trachtenverein mitmachen durfte. Die hab‘ ich tatsächlich mal über ein paar Ecken erfahren. Er durfte zwar letztendlich doch mitmachen, aber musste seine Haare immer verstecken. Solche Sachen sind wie kleine Samenkörner, die in meinem Kopf weiterarbeiten und irgendwann aufgehen.
Sie haben sich bewusst für das Leben auf dem Land entschieden und beschreiben es in Ihren Kindergeschichten voller Sympathie. Ist es eine Oase heiler Welt?
Anting ist keine heile Welt. Ich versuche durchaus, Themen anzusprechen, die ein Problem sind oder zum Problem werden können. Auch hier gibt es die Oma, die an Demenz erkrankt und ihre Enkelin irgendwann nicht mehr erkennt. Und das mit den Trachtlern ist letztlich – obwohl es am Schluss ein Happy End gibt – erst mal die Geschichte von einem Kind, das ausgeschlossen wird. Auch dass nur zweimal am Tag ein Bus kommt und am Sonntag gar keiner, gehört zu den weniger schönen Seiten des Lebens auf dem Land. Oder die ewigen Streithansl: Eine Geschichte von zwei Männern, die ihr Leben lang streiten. Ob sie sich am Ende wirklich vertragen, bleibt offen.
Ihre Geschichten bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Verändern. Das spiegelt sich in der Sprache – einerseits Dialekt, andererseits Hochdeutsch –, aber auch in den Inhalten. Da haben Sie mit der Heimatpflege viel gemeinsam!
Der Vorsitzende vom Trachtenverein ist zum Beispiel so ein bayerisches Original, wie es wahrscheinlich jeder schon mal getroffen hat. Der setzt erst stur auf Bewahrung, bis er irgendwann merkt, der Wind hat sich gedreht. Dann wird er zum Modernisierer. Generell ist es mir wichtig, in meinen Geschichten Anknüpfungspunkte für Gespräche zu bieten. Theresa hat zum Beispiel zwei Mamas.
Wie reagieren die Kinder bei Ihren Lesungen an Schulen darauf?
Manchmal ist das überhaupt kein Thema. Und manchmal kommen viele Fragen. Zum Beispiel: Wie geht denn das? Aus welchem Bauch ist die Theresa geschlüpft? Und so weiter. Ich finde es interessant, dass die Kinder sich aus den Geschichten das rausnehmen, was sie gerade beschäftigt. Ich binde aktuelle Lebenswirklichkeiten ein, aber auch das Wissen über Traditionen und Bräuche, damit sie lebendig bleiben.
Sie haben neben Germanistik interkulturelle Kommunikation studiert. Ist es ein bisschen auch das, was Sie mit den Geschichten von Theresa und Franz praktizieren – interkulturelle Kommunikation zwischen Bairisch und Hochdeutsch, Tradition und modernem Leben?
Ja, das stimmt! Und das beschreibt tatsächlich auch ein bisschen mein Leben. Mein Vater spricht urbairisch und meine Mutter ein Münchnerisches Süddeutsch, eher Hochdeutsch. Zwischen den beiden Welten bin ich hin und her gewechselt.
Sie sind also quasi zweisprachig aufgewachsen?
Ja, sozusagen. Mit meinem Vater spreche ich Bairisch, mit meiner Mutter Hochdeutsch. Das sind zwei Sprachen, aber auch zwei Welten, die in mir existieren.
Was mögen Sie daran?
Der Dialekt hat mir eine komplett neue Welt eröffnet. Es gibt eigene Lieder, eine eigene Grammatik, eigene Abzählreime und eigene Wörter, mit denen man ein Lebensgefühl erfassen kann, das man auf Hochdeutsch nicht so gut treffen könnte. Als Germanistin habe ich auch total Spaß an unterschiedlichen Sprachen und Ausdrucksweisen. Ich kann mich da richtig reinfuchsen. Und ich finde, wenn man das den Kindern schon früh mitgibt, dann erweitert man das Bewusstsein für ihr Umfeld.
Wie ist es denn bei Ihren Kindern? Sprechen Sie mit ihnen Bairisch oder Hochdeutsch?
Bei uns in der Familie wird beides gesprochen. Wir mischen das je nachdem, wer gerade dabei ist und worauf man Lust hat.
Bei mir hieß es in der Grundschule immer: Bitte sag das noch einmal in richtigem Deutsch! Bairisch war falsch. Man brauchte schon fast Mut, um Dialekt zu sprechen.
Das ist in meiner Wahrnehmung heute nicht mehr so. Ich mache ja viele Lesungen in Grundschulen. Lehrkräfte erzählen mir dabei oft, dass sie den Dialekt in ihren Unterricht einbauen. Da hat sich bereits ganz viel geändert. Und dass ich mit meinen Geschichten weiter dazu beitragen kann, dass Dialekt lebendig bleibt, finde ich sehr schön.
Ging es Ihnen in erster Linie darum, Geschichten für Kinder zu erzählen, oder auch konkret darum, Dialekt zu fördern und dessen Wertigkeit herauszustellen?
An eine Veröffentlichung habe ich erst gar nicht gedacht. Mir ist einfach aufgefallen, dass es wenig Vorlesebücher und Hörspiele auf Bairisch gibt. Deshalb habe ich angefangen, mir Geschichten für meine Kinder auszudenken, in denen einige Personen Bairisch sprechen. Ich wollte gern dieses Nebeneinander von Bairisch – das ist der Franz – und Hochdeutsch – das ist die Theresa. Meinen Kindern haben die Geschichten richtig gut gefallen. Und dann kam ich durch Zufall zu einem Verlag und es wurde ein Projekt draus.
Und jetzt auch noch ein Hörbuch mit den Stimmen von Luise Kinseher und Florian Brückner!
Ich bin total begeistert. Besser kann man es nicht lesen. Wenn ich das höre, denke ich mir bei jedem Wort: Ja, genau so! Die beiden machen das unglaublich authentisch. Auch ihnen ist es ein Anliegen, das Bairische weiterzutragen und für Kinder erlebbar zu machen. Dazu passt die Musik der nouWell cousines und vom Stofferl Well, weil die ebenfalls diese Mischung aus Tradition und Moderne leben.
Welche Erfahrungen machen Sie bei Ihren Lesungen? Gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land?
Ich bekomme natürlich mehr Anfragen aus dem ländlichen Raum. Wahrscheinlich, weil die Lehrerinnen und Lehrer dort den Dialekt häufiger aktiv in ihren Unterricht einbauen. Aber ich war auch schon in München.
Verstehen die Kinder noch Bairisch?
Das kommt darauf an, ob zu Hause Bairisch gesprochen wird. Einiges muss ich schon übersetzen.
Was zum Beispiel?
Also ‚benzn‘ zum Beispiel, an jemanden ‚hinbenzn‘ – also nervig sein, weil man etwas haben möchte. Das muss ich oft erklären. ‚Grantig‘ kennen die meisten, auch wenn zu Hause nicht Bairisch gesprochen wird. Aber bei ‚Blattn‘ für die Glatze hört’s dann schon wieder auf.
Kinder lernen ja schnell. Wird die Theresa denn irgendwann auch Dialekt sprechen?
Das ist eine gute Frage! Ich weiß es nicht. Das muss ich mir mal überlegen. Wobei es dramaturgisch schon auch wertvoll ist, dass sie immer nachfragt, wenn der Franz einen sehr bairischen Ausdruck verwendet. Zum Beispiel: Was ist denn eine ‚Nasenramme‘? Und dann kann man das eben ganz charmant den Franz erklären lassen.
Das klingt, als ob Sie schon an einer Fortsetzung arbeiten.
Wie es beim Buch weitergeht, muss ich mal schauen. Das Hörbuch wird jedenfalls fortgesetzt. Es umfasst jetzt die sechs Geschichten aus dem Buch und zwei weitere wurden bereits aufgenommen, die im Laufe des Sommers rauskommen. Im Herbst folgt entweder eine zweite CD oder es kommen Einzelgeschichten zum Streamen heraus. Ich bin schon fleißig am Schreiben.
Bleibt dafür genug Zeit neben Ihrem Job als Redenschreiberin im Umweltministerium?
Die Geschichten von Franz und Theresa sind mein Hobby. Oft fällt mir nachts etwas ein und dann schreibe ich das noch kurz auf. Viel Arbeit beim Schreiben passiert ja vorher im Kopf: Man hat eine Idee und überlegt sich die Struktur. Und das kann man auch gut beim Wäscheaufhängen oder beim Autofahren tun.
Das Interview führte Angelika Sauerer.
Die Audio-CD ist seit 22. April 2025 im Fach- und Buchhandel und unter www.usmaudio.de erhältlich. Im Download und Streaming erscheinen die Geschichten seither im Wochentakt. In Kooperation mit dem Bayerischen Landesverein für Heimatpflege e.V. Das gleichnamige Buch ist im Knesebeck Verlag erschienen.
Wenn Sie solche Beiträge nicht verpassen wollen, melden Sie sich für unseren Newsletter an!
Foto: LiNa Photoart / Lisa Fischer