Versorgung der Gebäude in einer historischen Stadt mit alternativer Energie
Energiegewinnung bei „allgemeinen Gebäuden“
Nach dem Klimaabkommen von Paris und nach dem Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die 1,5 Grad-Grenze bei der Klimaerwärmung nicht zu überschreiten. Diese Vorgaben erfordern verstärkte Anstrengungen, um alle Möglichkeiten zur alternativen Energiegewinnung auszuschöpfen. Bei Gebäuden außerhalb von denkmalgeschützten Bereichen bestehen keine grundlegenden Probleme, mit solarthermischen Anlagen für Warmwasser und mit PV-Anlagen Energie zu gewinnen. Ein Haus mit einer eigenen PV-Anlage kann, je nach Jahreszeit und Auslegung der Anlage, einen wesentlichen Teil der teuren Energie aus dem öffentlichen Netz durch Strom vom eigenen Dach ersetzen.
Energiegewinnung bei denkmalgeschützten Gebäuden und in historischen Altstädten
In historischen Städten mit hohem Denkmalbestand bzw. in Gebieten mit Ensembleschutz ist die Anbringung von Solarmodulen nicht oder nach dem Gesetz zur Änderung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG) vom 23.06.2023 dagegen nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubnisfähig. Die Gestaltungssatzungen historischer Städte schließen in der Regel den Einsatz von solarthermischen Kollektoren oder PV-Anlagen auf Dachflächen und Balkonen aus, die von der öffentlichen Verkehrsfläche einsehbar sind. Eingefärbte PV-Module oder Energieziegel sind nach strengeren denkmalpflegerischen Gesichtspunkten ebenfalls nicht vertretbar.
Historische Gebäude besitzen meist einen unzureichenden Wärmeschutz. Fassadendämmungen sind aus denkmalpflegerischen Gründen kaum möglich. Bedingt durch den hohen Energieverlust der historischen Gebäude ist der Einbau alternativer Heizungsanlagen (z. B. elektrisch betriebene Wärmepumpen) in der Regel nicht sinnvoll. Zudem bietet die dichte Bebauung historischer Städte kaum Aufstellflächen für Wärmepumpen. Bei einer angestrebten Sanierung eines Baudenkmals in der Altstadt wäre es für die Finanzierung der hohen Kosten von Vorteil, die Einstufung als „Effizienzhaus-Denkmal“ zu erreichen, um Zuwendungen oder günstige Darlehen erhalten zu können. Die Voraussetzungen für die Einstufung als „Effizienzhaus-Denkmal“ können in der Regel aber nur durch den Einsatz alternativer Energiegewinnung erreicht werden. Diese Möglichkeiten sind jedoch durch den Ausschluss von Kollektoren und Modulen nach den Gestaltungsverordnungen und durch den kaum sinnvollen Einsatz von Wärmepumpen ausgeschlossen.
Folgerungen aus der bestehenden Situation
Das besondere Erscheinungsbild von Altstädten (wie z.B. von Rothenburg ob der Tauber oder Dinkelsbühl) würde durch die Anbringung von Kollektoren, egal welcher Bauart, erheblich verändert bzw. verunstaltet werden. Die eingeschränkte Erlaubnis der Anbringung von PV-Flächen auf nicht von der öffentlichen Verkehrsfläche einsehbaren Dächern benachteiligt die Eigentümer von einsehbaren Dachflächen und verstößt daher gegen das Gleichheitsprinzip. Inwieweit dabei zudem die Einsehbarkeit der Dachflächen von der Stadtmauer oder von Türmen aus zu beachten ist, bedarf noch der rechtlichen Klärung. Bei nicht oder nur wenig wärmegedämmten Häusern in einer Altstadt ist unter Ausschluss von Kollektor- oder Modulflächen die Erreichung der vorgegebenen Energieziele keinesfalls zu erreichen. Die Betriebs- und Unterhaltskosten eines denkmalgeschützten Gebäudes liegen deutlich höher als bei einem wärmegedämmten Vorstadthaus mit Anlagen zur Energiegewinnung. Nicht erst die nachfolgende Generation wird den Bauunterhalt bei den Altstadthäusern nicht mehr leisten können und daher ein energetisch voll ausgerüstetes Haus vor der Altstadt bevorzugen. Es kommt bei den von der alternativen Energiegewinnung ausgeschlossenen Gebäuden vermehrt zum Leerstand. Altstadthäuser sind bereits jetzt schwer verkäuflich und verlieren erheblich an Wert. Historische Altstädte drohen mehr und mehr zu einem erhaltungspflichtigen Großdenkmal zu werden und zu verfallen. Der Erhalt jahrhundertealter Gebäude scheitert somit am Fehlen einer umsichtigen Regelung zur Gewinnung erneuerbarer Energie.
Lösungsvorschlag
Um den Besitzern von Gebäuden in einer denkmalgeschützten Altstadt die Möglichkeit zur Gewinnung von Solarstrom anbieten zu können, bleibt als derzeit einzige technisch sinnvolle Lösung die Trennung der Solarenergieflächen von den historischen Gebäuden durch die Installation von Photovoltaikflächen nicht in, sondern vor der Altstadt. Mit einer „Bürgerenergiegemeinschaft“ oder „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft“ sollte es möglich sein, die vor der Stadt gewonnene elektrische Energie über das Netz der Stadtwerke in die Altstadt einzuspeisen. Bei Einspeisung der Energie aus der Anlage einer Bürgerenergiegemeinschaft in das städtische Netz sollten die hohen Durchleitungsgebühren der Strom-Ferntrassen und die Zusatzkosten der großen Energiekonzerne entfallen. Die Beteiligten einer solchen Gemeinschaft erhalten Strom in Relation ihrer Beteiligungssumme zu den Kosten der Herstellung der PV-Anlage einschließlich Verwaltung, Unterhalt usw., vergleichbar einem kostengünstigen Ertrag bei einem Vorstadthaus mit PV-Anlage. Dabei sollte die Höhe der Beteiligung für einen Besitzer eines Altstadthauses zumindest in etwa der Investitionssumme für eine PV-Anlage bei einem Vorstadthaus entsprechen.
Derzeitige Probleme bei der Umsetzung der Lösungsmöglichkeit
Nach bestehenden Vorschriften und Bestimmungen für Durchleitungsgebühren, Steuern usw. ist es in Deutschland bislang nicht möglich, die elektrische Energie aus einer PV-Fläche vor der Altstadt kostengünstig in das Netz der Stadtwerke einzuleiten, obwohl dies in anderen europäischen Ländern ermöglicht wird. In der „Richtlinie (EU) 2023/2413 des Europäischen Parlaments und des Rates“ vom 18.10.2023 wird die Verpflichtung der Mitgliedsländer aufgezeigt, die alternative Energiegewinnung zu fördern. Leider gehen die aktuellen Bestimmungen und Abrechnungsmodalitäten in Deutschland jedoch nicht auf diese Richtlinie ein. Bisherige Versuche, die beteiligten Behörden und Energieerzeuger auf die nachteilige Situation der historischen Städte hinzuweisen, schlugen fehl. In den wenigen Antwortschreiben wurde auf die bestehende oder unvollständige Gesetzeslage verwiesen, die eine Unterstützung des oben beschriebenen Anliegens leider ausschließt. Daher sollten im Besonderen die Gesetze und Bestimmungen geändert werden, die die Einrichtung von „Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften“ bisher verhindern.
Eine Behandlung des oben beschriebenen Problems einschließlich entsprechender gesetzlicher Regelungen ist eine verpflichtende Aufgabe der Politik, um zeitgerecht die vorgegebenen Ziele der Energiewende zu erreichen. Der Erhalt der bisher als bedeutende Elemente unserer Kultur eingestuften Baudenkmäler, historischen Altstädte und Ensemblebereiche hängt von einer sinnvollen und denkmalverträglichen Regelung zum Bezug erneuerbarer Energie ab. Nach dem Gleichheitsgebot dürfen die Besitzer von Gebäuden in einer historischen Altstadt gegenüber den Eigentümern von Häusern vor der Stadt hinsichtlich der Gewinnung von alternativer Energie nicht benachteiligt werden. Sollte diese Gleichbehandlung ausbleiben, wären die historischen Städte in der bestehenden Form und Funktion zukünftig nicht zu halten. Ein gewaltiger kultureller Verlust wäre die Folge.
Forderungen an die Denkmal- und Energiepolitik
- Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II + III) der EU bzw. die EU-Richtlinie vom 18.10.2023 wird in der jeweils aktuellen Fassung, einschließlich der Ergänzungen und Handlungsanweisungen, in Deutschland eingeführt.
- Die rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung von „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften“ als „Besondere Bürgerenergiegesellschaften“ werden geschaffen. Die PV-Anlagen werden auf einer stadtnahen Fläche installiert. Die dort gewonnene alternative Energie wird auf kurzem Weg in das städtische Netz eingespeist. Damit wird der über lange Strecken herbeigeführte teure Strom zu großen Anteilen durch eine kostengünstigere Energiegewinnung ersetzt.
- Die Durchleitungsgebühren im städtischen Netz werden auf die Selbstkosten beschränkt, da die Leitungen der großen Stromkonzerne nicht beansprucht werden.
- Die Beteiligten an einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft erhalten vergünstigte Tarife für den Strombezug im Verhältnis der finanziellen Beteiligung des einzelnen Hausbesitzers zu den Kosten der Gesamtanlage vor der Stadt, unter Einrechnung der allgemeinen Kosten (Miete Grundstück, Verwaltung, Versicherungen Wartung usw.). Damit soll es bei der Gewinnung alternativer Energie ermöglicht werden, für Eigentümer von Altstadthäusern eine annähernd vergleichbare Situation zu schaffen, wie sie für Eigentümer eines nicht denkmalgeschützten Gebäude vor der Altstadt besteht.
- Die steuerlichen Rahmenbedingungen für „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften“ werden den Regelungen für Energieanlagen für PV-Anlagen auf Häusern vor der Altstadt angepasst. (keine zusätzliche Mehrwert- oder Gewerbesteuer).
- Mit einer Beteiligung an einer „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft“ stehen dem Eigentümer die gleichen finanziellen Vorteile bei der Ermittlung der Energieeffizienz eines Gebäudes (Effizienzhaus-Denkmal) wie bei einem allgemeinen Gebäude vor der Altstadt zu. (z. B. Zuwendungen, vergünstigte Darlehen der KfW bzw. der BAFA).
- Mit der Einrichtung zentraler Anlagen (z. B. Wechselrichter, Stromspeicher) können erhebliche Kostenvorteile gegenüber den dezentralen Anlagen auf den Einzelgebäuden erzielt werden. In diesem Sinne wird „die Politik“ dringend gebeten, nicht auf bestehenden Bestimmungen zu beharren, sondern alles zu versuchen, um die Städte mit einem schützenswerten Erscheinungsbild vor einer nachtei-ligen Entwicklung zu bewahren.
Eduard Knoll, Architekt.
Bild: Die Dachlandschaft von Dinkelsbühl. Eigentümer von Gebäuden in historischen Altstädten, auf denen keine PV-Anlagen errichtet werden dürfen, müssen Möglichkeiten zur Teilhabe an erneuerbaren Energien erhalten. (Foto: Thomas Lauer)
Dieser Text wird auch in Heft 1 der Schöneren Heimat 2025 erscheinen.